„Hab ich im Internet gelesen!“ – kritischer Umgang mit Quellen im Internet

Ihre Lerner geben sich bei der Informationssuche im Internet mit den erstbesten Treffern zufrieden und überprüfen nur selten die Quellen der gefundenen Informationen? Dabei ist der kritische Umgang mit Informationen eine grundlegende Kompetenz für Lerner im 21. Jahrhundert. Lesen Sie, wie Sie Ihre Lerner beim Umgang mit Quellen unterstützen können.

[Anmerkung zum Text: Ich rede im Text von „Lernern“ und „Lehrern“, gemeint sind damit grundsätzlich alle Geschlechter. Außerdem beziehen sich diese Bezeichnungen nicht nur auf Personen in der Schule, sondern beispielsweise auch auf die Ausbildung und auf alle weiteren Lernumfelder.]

Das Lesen im Internet stellt neue Herausforderungen an Leser und Lerner. Zum einen sind sehr viele verschiedene Informationsquellen vorhanden, zum anderen sind diese von sehr unterschiedlicher Qualität. Das bedeutet für Lerner, dass sie für eine erfolgreiche Informationssuche im Internet mehr als nur Lesekompetenz mitbringen müssen. Darüber hinaus müssen sie die gefundenen Informationen aber auch bewerten können. Nur weil Lerner das Internet häufig nutzen, bedeutet das nicht, dass sie auch mit Informationen kompetent umgehen können.

3 Schritte zum erfolgreichen Umgang mit verschiedenen Quellen bei der (Internet-)Recherche

Stadtler und Bromme benennen in ihrem Modell drei wichtige Schritte:

  • Informationssuche
  • Informationsevaluation
  • Informationsintegration

Informationssuche

Um Informationen im Internet zu suchen, benötigen Lerner zuerst einmal Lesekompetenz. Außerdem sollten Lerner folgende Fragen berücksichtigen:

  • Welche Informationen benötige ich? Was ist das Ziel der Suche oder der gestellten Aufgabe?
  • Wo kann ich Informationen suchen? (Informationsressourcen)
  • Wie viel Zeit steht mir für die Suche zur Verfügung? (Zeitressource)
  • Kann ich die Aufgabe oder Frage bereits mit meinem Vorwissen beantworten? Oder benötige ich weitere Informationsquellen?

Anschließend müssen Lerner entscheiden, ob die gefundenen Informationen für das Ziel oder die Aufgabe relevant sind. Diese Aufgabe fällt besonders jüngeren Lernern schwer. Auch die Frage, ob die Suche abgeschlossen ist oder ob man weitersuchen muss, fordert von den Lernern selbstregulative Fähigkeiten und metakognitive Kompetenzen.

Wie kann man Lerner bei der Informationssuche unterstützen?

Um die Lerner nicht mit der großen Anzahl an Informationen im Internet zu überfordern, kann die Anzahl der Quellen vom Lehrer reduziert und vorausgewählt werden. Somit scheitern Lerner auch nicht direkt, wenn sie die falschen Suchbegriffe eingeben. Darüber hinaus sollten sich die Lerner vor der Suche auch erst einmal Gedanken über das Ziel (und ggf. die Aufgabe) machen und ihr Vorwissen (z.B. in einem Mindmap) notieren. So können sie schneller feststellen, welches Wissen sie bereits haben und welches noch fehlt.

Informationsevaluation

Hierbei handelt es sich um eine kritische Überprüfung der gefundenen Quellen und Informationen. Um deren Gültigkeit zu prüfen, können Lerner auf zwei Arten vorgehen:

  • Entscheidung aus erster Hand: Lerner beantworten sich die Frage, ob die gefundene Information gültig ist, mithilfe ihres eigenen Vorwissens, Themenverständnisses und kritischem Denken (Frage: Was ist wahr?)
  • Entscheidung aus zweiter Hand: Lerner bewerten die Quelle aufgrund von Quellenmerkmalen (Frage: Wem kann ich vertrauen?). Zu diesen Merkmalen gehören z.B. Ort und Datum der Veröffentlichung, Expertise und Absicht des Autors, das Genre und die Zielgruppe. Obwohl viele Leser und Lerner wissen, dass die Quellenmerkmale zur Bewertung notwendig sind, nutzen viele sie dennoch nicht.

Wie kann man Lerner bei der Informationsintegration unterstützen?

Lerner können z.B. durch Checklisten oder Fragen an die Quellenmerkmale erinnert werden. Im geringeren Umfang können auch schon sehr junge Lerner Quellen bewerten. Wichtig ist jedoch, dass diese Quellenbewertung immer mit der Aufgabe bzw. dem Ziel der Informationssuche für die Lerner in Verbindung steht (kein Trockenschwimmen).

Informationsintegration

Nachdem die Lerner erfolgreich verschiedene Quellen gefunden und die relevanten ausgewählt haben, müssen sie die Inhalte aus verschiedenen Texten zusammenbringen, so dass ein kohärentes Wissensmodel zum Thema entsteht. Die neuen Informationen müssen sie sowohl mit ihrem bestehenden Vorwissen verbinden, als auch Informationen aus verschiedenen Texten oder Quellen miteinander verknüpfen. Dabei können sich Informationen aufeinander beziehen, sich widersprechen, übereinstimmen oder sich gegenseitig ergänzen. Häufig missachten Leser und Lerner – vor allem bei geringem Vorwissen – offenkundige Konflikte zwischen Informationen, da sie nicht auf rhetorische Konnektoren (z.B. „im Gegensatz zu…“, „anders als…“) achten. Konflikte zwischen verschiedenen Quellen nehmen Leser und Lerner dabei sogar besser war als innerhalb einer Quelle.

Wie kann man Lerner bei der Informationsintegration unterstützen?

Bei Lernern mit hohem Vorwissen eigenen sich Argumentationsaufgaben, bei denen sie eine Position oder Meinung begründen müssen, um verschiedene Quellen zu integrieren. Besitzen Lerner hingegen nur geringes Vorwissen eignen sich Schlussfolgerungsaufgaben besser, da Argumentationsaufgaben sie überfordern können. Wie Leser und Lerner verschiedene Quellen integrieren, ist auch von deren Persönlichkeit und ihrer Sicht auf die Wissensstruktur abhängig (epistemische Überzeugungen: Ist Wissen für mich sicher und einfach vs. komplex und unsicher).

Weitere Hinweise

Natürlich kann der Umgang mit verschiedenen Quellen aus dem Internet immer wieder trainiert und geübt werden, ob diese Effekte jedoch langfristig anhalten und Lerner dieses Vorgehen auch spontan anwenden ist noch unklar. Wichtig wäre es auch, mit den Lernern allgemein über ihre Vorstellungen von Wissen zu sprechen (epistemische Überzeugungen, z.B. woher kommt das Wissen in einem Fach? Ist das Wissen stabil oder veränderlich? Wie kann es sein, dass sich Experten widersprechen?). Hinzu kommt, dass der Umgang mit Quellen auch in verschiedenen Disziplinen und Fächern unterschiedlich durchgeführt wird, weshalb diese Kompetenz in jedem Fach geübt werden muss.

Mein Kommentar

Die Wissenswelt ist heutzutage größer als EIN Lehrbuch und Lerner müssen mit verschiedenen Informationsquellen umgehen können. Nicht nur um lebenslang weiter zu lernen, sondern auch um aktuelle (Lebens-)Entscheidungen treffen, sich eine Meinung bilden und aktiv an der Wissensgesellschaft teilnehmen zu können. Auch die Debatte zu Fakenews zeigt, wie wichtig diese Kompetenz ist. Selbst wenn man als Lehrer keine großen technischen Möglichkeiten hat, kann man Lernern verschiedene Quellen zu einem Thema vorlegen und auch als Lerngruppe diskutieren. Dabei sollte man immer wieder hinterfragen, woher das Wissen kommt, auf das man sich stützt. Wenn man dann nicht mehr weiterkommt, kann man sogar Forscher einladen, die erklären, wie sie zu neuen Erkenntnissen kommen. Bringen Sie Ihren Lernern also nicht nur Wissen bei, sondern vermitteln Sie auch, woher dieses kommt und wie es entsteht.

Quellen

Pieschl, S. & Sivyer, D. (2021). Secondary students’ epistemic thinking and year as predictors of critical source evaluation of Internet blogs. Computers & Education, 160, 104038. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2020.104038

Stadtler, M., Bromme, R., & Rouet, J. F. (2014). „Science meets Reading “: Worin bestehen die Kompetenzen zum Lesen multipler Dokumente zu Wissenschaftsthemen und wie fördert man sie. Unterrichtswissenschaft42(1), 55-68.

Stadtler, M., Winter, S., Scharrer, L., Thomm, E., Krämer, N. & Bromme, R. (2017). Selektion, Integration und Evaluation: Wie wir das Internet nutzen, wenn wir uns über Wissenschaft informieren wollen. Psychologische Rundschau, 68(3), 177–181. https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000361